Notfälle - Lyell Syndrom

I. Lyell-Syndrom (medikamentöses)

Das medikamentöse Lyell-Syndrom ist die lebensbedrohliche Maximalvariante einer Unverträglichkeitsreaktion auf Medikamente. Es geht einher mit flächenhafter Rötung, Blasenbildung und schließlich Ablösung der Haut am gesamten Körper (ähnlich einer schweren Verbrennung). Die häufigsten Auslöser sind Antibiotika, Antiepileptika, Schmerzmittel (NSAD), Barbiturate und Diuretika  meist in Kombination mit einem Infekt. Frauen sind 10-mal häufiger als Männer betroffen. Die Sterblichkeit kann bei entsprechender Behandlung auf bis zu 20% gesenkt werden. Das Lyell Syndrom ist eine sehr ernste, ggf. lebensbedrohliche Medikamentenreaktion, die dringend der Intensivpflege bedarf.

Symptome

Es kommt zunächst zu kleinfleckigen, dann zusammenfließenden (konfluierenden) größeren Rötungen (Erythemen) mit zunehmender Tendenz der Bläschen- und Blasenbildung am gesamten Körper. Schließlich löst sich die Oberhaut der betroffenen Areale komplett ab, so dass es zu großflächigen offenen Wunden kommt. Die Schleimhäute vor allem im Bereich der Übergangszonen zur normalen Haut können mitbetroffen sein. Das Allgemeinbefinden ist deutlich herabgesetzt, hohe Fieberschübe, Abgeschlagenheit, u.U. verminderte Ansprechbarkeit begleiten die fortschreitenden Hautveränderungen. Durch das Krankheitsbild resultiert ein gefährlicher Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Eiweißverlust, der- wie bei schwersten Verbrennungen - zu lebensbedrohlichen Zuständen führen kann. Durch die großflächigen offenen Hautstellen besteht die Gefahr einer Infektion mit Bakterien, die wir alle auf der Haut tragen, die aber beim Hautgesunden keine Gefährdung darstellen.

Die Diagnose wird einmal durch die Anamnese in Kombination mit der Klinik gestellt, zudem kann sie bei fraglichem Sachverhalt durch eine Probeentnahme aus dem betroffenen Areal gesichert werden.

Die Behandlung erfolgt im Krankenhaus und entspricht der von Schwerstverbrannten:

Intensivmedizinische Betreuung mit engmaschiger Kontrolle der Laborparameter, Ersatz von Flüssigkeiten, Elektrolyten, Eiweißen, hochdosierte intravenöse Kortisongaben, ggf. antibiotische Behandlung (mit Medikamenten geringen Allergiepotentials) falls bereits eine Superinfektion stattgefunden hat, vorbeugende Behandlung gegen Thrombosen etc. Sterile Versorgung der Wunden und intensivste Lokalpflege sind oberstes Gebot. Zur besseren Bestimmung des Wasserverlustes über die offenen Hautstellen und entsprechendem Ersatz wird die Einfuhr, d.h. alle dem Patienten zugeführten Flüssigkeiten und die Ausfuhr, d.h. alle den Körper verlassenden Flüssigkeiten gemessen. Falls verfüg- bar: Lagerung in einem Wasser- oder Luftkissenbett zur Vermeidung weitere Druckinduzierter Hautablösung.

Ganz wichtig ist es den Patienten vor Keimen aus der Umgebung zu schützen. Aus diesem Grund wird eine so genannte Schleuse aufgebaut, d.h. der Raum, in dem der Patient liegt, wird von der Umgebung isoliert. Das Betreten des Raumes ist nur in steriler Schutzkleidung mit Mundschutz, Haarabdeckung und Handschuhen erlaubt. Auch die normalen Straßenschuhe dürfen nicht in den Raum gebracht werden. Bitte berühren Sie nichts in dem Raum mit bloßen Händen. Besucher, die an einer Infektionskrankheit leiden, dürfen den Raum nicht betreten.

II. Staphylogenes Lyell-Syndrom

(Staphylogene toxische epidermale Nekrolyse, Dermatitis exfoliativa neonatorum Ritter von Rittershain, Staphylococcal scalded skin syndrome (SSSS)).
Beim so genannten staphylogenen Lyell-Syndrom kommt es auch zur schweren, lebens- bedrohlichen Ablösung der Haut, allerdings durch die Gifte bestimmter Bakterien (Staphylokokken-Exotoxin). Die Erkrankung tritt bei Säuglingen und Kleinkindern und seltener auch bei immungeschwächten Erwachsenen auf. Häufig findet man eine vorausgegangene, lokalisierte Impetigo (ortsständige Infektion mit Staphylokokken) beim Patienten selbst oder bei Kontaktpersonen. Das erste Symptom ist ein scharlachartiges kleinfleckiges, rotes Exanthem (Aussaat) häufig nach bullöser Impetigo, Mittelohr-, Mandel- / Rachenentzündung. Nach 1-2 Tagen diffuse Rötung und Blasenbildung mit anschließen- der handtuchartiger Ablösung der Haut am gesamten Körper. Die Schleimhäute sind selten betroffen. Die Diagnose lässt sich meist durch die Anamnese, die Symptome und die Verteilung der Veränderungen stellen. Die Bestätigung erfolgt durch eine Hautprobenentnahme sowie den bakteriologischen Abstrich (Nachweis der Krankheitserreger).

Die Behandlung erfolgt in Anlehnung an die oben beschriebene Therapie des medikamentösen Lyell-Syndroms. Allerdings steht beim staphylogenen Lyell-Syndrom die antibiotische Therapie im Vordergrund, kortisonhaltige Präparate kommen hier nicht zum Einsatz. Bei rechtzeitiger Behandlung ohne Entstehung von Komplikationen wie Lungenentzündung und Sepsis ist die Prognose günstig. Die Hautveränderungen heilen dann innerhalb von ein bis zwei Wochen meist ohne große Narbenbildung ab.

Wir hoffen, einige Ihrer Fragen mit diesem Informationsblatt beantwortet zu haben und wünschen Ihnen alles Gute auf Ihrem Weg zur Genesung, Ihr Praxisteam.


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