Autoimmunerkrankung - Progressive systemische Sklerodermie

Die Sklerodermie ("harte Haut") ist eine Erkrankung des Bindegewebes, die durch einen sehr variantenreichen Verlauf gekennzeichnet ist. Das Bindegewebe kommt in allen Organen vor. Es wird auch als Stütz- oder Gerüstgewebe bezeichnet. Es sorgt quasi für den inneren Zusammenhalt der Organe. Eine spezifische Funktion, wie z.B. der Gasaustausch in der Lunge, die Filterfunktion der Niere oder das Zusammenziehen des Herzens, hat das Bindegewebe nicht. Diese Funktionen werden von organtypischen Strukturen, z.B. den Lungenbläschen, den kleinen Filterstrukturen der Niere oder den Muskelzügen des Herzens bewerkstelligt. Insofern ist das Bindegewebe der Haut mit der Karosserie des Autos vergleichbar. Es hat keine besondere Funktion wie der Motor, das Getriebe oder das Fahrwerk. Aber alle Autoteile sind an einer Karosserie befestigt. Das Auto könnte sich ohne Karosserie nicht fortbewegen.

Formen der Sklerodermie

Die zirkumskripte Sklerodermie (CS) beschränkt sich nur auf das Bindegewebe der Haut. Das Bindegewebe, das in anderen Organen vorkommt, ist von den krankhaften Veränderungen ausgespart. Insofern handelt es sich zwar um eine für den Patienten sehr störende und bisweilen auch einschränkende Erkrankung, z.B. wenn die Verhärtung der Haut im Bereich von Gelenken vorkommt und die Beweglichkeit dadurch behindert wird, die Erkrankung ist aber nicht lebensbedrohlich.

Die progressive systemische Sklerodermie (PSS) bezieht auch das Bindegewebe innerer Organe mit ein. Dies geschieht in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Dabei müssen nicht alle Organe betroffen sein. Das Spektrum der Veränderung reicht von nur mit technischen Gerätschaften messbaren Veränderungen, die Sie selbst nicht wahrnehmen, bis zur deutlich einschränkenden Erkrankung mit Multiorganbefall.

Progressive systemische Sklerodermie

Bei dieser Erkrankung sind neben der Haut auch andere Organe in den Krankheitsprozess einbezogen. Die progressive systemische Sklerodermie verläuft von Patient zu Patient verschieden. So gibt es Formen, die von Störungen der Blutgefäße (Durchblutungsstörung, Gefäßkrämpfe) dominiert sind und eine Verhärtung der Haut oder andere Symptome ganz zurückstehen. Andere Formen äußern sich in Schluckstörungen und Verdauungsstörungen. Bei manchen Patienten ist Atemnot ein erstes Symptom der Erkrankung. Aus diesem Grund vergehen oft Monate oder Jahre, bis bei einem Patienten die richtige Diagnose gestellt werden kann.

Die wichtigsten Symptome der progressiven systemischen Sklerodermie sind:

Raynaud-Syndrom

Dieses Syndrom tritt bei mehr als 90 % der PSS-Patienten auf und ist häufig ein Frühsymptom der Erkrankung. Bei Kälte oder auch emotionalen Einflüssen (Stress) werden ein oder mehrere Finger weiß, weil sich die Blutgefäße zusammenziehen und keine Blutversorgung mehr zulassen. Ähnliche Phänomene können auch an den Ohren, an der Nase oder im Mundbereich beobachtet werden. Die Finger der Sklerodermie-Patienten zeigen ein recht charakteristisches Aussehen und sind an der Spitze oft verdünnt (Madonnenfinger). Nicht selten ist das Nagelhäutchen verdickt und auch schmerzempfindlich. Manchmal treten Einblutungen im Nagelhäutchen auf.

Bei Sklerodermie-Patienten fallen nicht selten eine Verengung des Mundes und eine straffe Fältelung der Haut im Mundbereich auf. Diese Fältelung wir als Tabaksbeutelmund bezeichnet. Durch die Verengung der Haut kann der Mund nicht mehr ausreichend weit geöffnet werden, was Schwierigkeiten bei zahnärztlichen Eingriffen bereiten kann. Das Zungenbändchen, ein kleiner Schleimhautstrang am Unterrand der Zunge, kann verdickt sein. Dies ist ein Hinweis für eine Beteiligung des Magen- und Darmtraktes. Im Gesichts- und Kopfbereich gibt es weitere Hinweise für das Vorliegen einer progressiven systemischen Sklerodermie: Gefäßerweiterungen, flächiger Haarausfall, spitze Ohren, spitze helle Nase. Auch bei diesen Symptomen besteht eine große Schwankungsbreite von kaum wahrnehmbar bis deutlich ausgeprägt.

Die progressive systemische Sklerodermie kann neben der Haut auch andere Organe befallen:

Speiseröhre, Magen- und Darmtrakt

Nicht selten bestehen bei Sklerodermie-Patienten Schluckbeschwerden. Feste Speisen, z.B. ein trockenes Brötchen, können nur schlecht geschluckt werden. Es kann Sodbrennen entstehen. In selteneren Fällen tritt auch Durchfall oder Verstopfung auf. Dies sind Hinweise für eine Beteiligung des Magen- und Darmtraktes. Durch moderne diagnostische Verfahren, z.B. die Messung der Beweglichkeit der Speiseröhre (Ösophagusmanometrie) lassen sich diese Befunde erhärten. Manchmal ist auch die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Darm beeinträchtigt. Meist jedoch kann durch therapeutische Maßnahmen ein Mangel an Nährstoffen ausgeglichen werden.

Lunge

Ein häufiges Leitsymptom der progressiven systemischen Sklerodermie ist die Kurzatmigkeit bei Belastung, z.B. beim Treppensteigen. Durch Röntgenverfahren, aber auch durch moderne Lungenfunktionsdiagnostik lässt sich das Ausmaß der Lungenbeteiligung feststellen. Ursache für die Kurzatmigkeit ist zumeist eine Verminderung der eigentlichen Lungenstrukturen (Lungenbläschen), weil sich das Bindegewebe vermehrt. In der Behandlung dieser Bindegewebsvermehrung spielen Kortisonpräparate eine wichtige Rolle, die als Spray eingenommen, weniger in den Körperkreislauf gelangen und damit weniger nebenwirkungsreich sind. In jedem Fall muss beim Symptom Kurzatmigkeit eine umfangreichere Diagnostik erfolgen, die auch andere mögliche Ursachen (z.B. Blutstau vor dem Herzen, Herzschwäche) ausschließt.

Niere

Bei etwa 45 % der Sklerodermie-Patienten kommen Veränderungen an den Nieren vor. Zum einen kann es passieren, dass die Nieren ihre Filterfunktion nicht mehr richtig wahrnehmen können; Ausscheidungssubstanzen, z.B. Kreatinin, steigen im Blut an. Darüber hinaus spielen die Nieren in der Regulation des Blutdruckes eine wichtige Rolle. Schon kleine Störungen im System "Niere" können zum Bluthochdruck führen. Der Blutdruck wird deshalb bei Sklerodermie-Patienten engmaschig kontrolliert werden. Eine relativ neue Substanzklasse, die so genannten ACE-Hemmer, sollen in der Lage sein, die Filterfunktion der Nieren zu verbessern. Sie haben zudem einen äußerst günstigen Einfluss auf den Bluthochdruck, so dass sie sich zu den wichtigsten Therapeutika in der Behandlung der sklerodermiebedingten Nierenstörung entwickelt haben.

Herz

Das Herz ist bei 30 bis 50 % der Sklerodermie-Patienten in der Erkrankung einbezogen. Dabei wird das Muskelgewebe des Herzens teilweise durch Vermehrung des Bindegewebes geschwächt oder durch eine Verhärtung des Herzbeutels in seiner Pumpleistung eingeschränkt. Meist sind diese Veränderungen jedoch eher diskret. Nur selten treten echte Störungen der Herzfunktion, u.a. Herzrhythmusstörungen, auf. Mit der Echokardiographie (Ultraschalluntersuchung des Herzens) lassen sich Aussagen über die Herzbeteiligung und die Herzfunktion gewinnen.

Mund- und Augentrockenheit

Durch eine Beteiligung von Drüsen, die die Speichelbildung bzw. die Tränenproduktion bewerkstelligen, kann es zur Trockenheit im Mundraum und am Auge kommen. Im Mundbereich ist die Trockenheit subjektiv für den Patienten sehr unangenehm und kann die mitunter ohnehin vorhandene Schluckstörung verschlimmern, da die Nahrung nicht ausreichend rutschfähig gemacht werden kann. Das Auge reagiert auf Trockenheit mit Entzündung, zumeist Bindehautentzündungen. Durch Anwendung von "künstlichem Speichel" oder "künstlichen Tränen" lassen sich diese Symptome lindern. Besser wirken jedoch Maßnahmen, die die noch vorhandene Restaktivität der Drüsen ausnutzen. So verbessern pfefferminzhaltige, zuckerfreie Kaugummis die Aktivität der Drüsen.

Muskel- und Skelettsystem

Während die Muskulatur nur selten (6 - 12 %) betroffen ist, kommen rheumatische Beschwerden bei etwa 2/3 der Patienten vor. Dabei ähneln die aufgetretenen Beschwerden und die erhobenen röntgenologischen Befunde der rheumatoiden Arthritis mit Ruhe- und Bewegungsschmerz, Morgensteifigkeit der Gelenke u.a. Moderne, nicht-steroidale Antirheumatika zeigen meist eine gute Wirksamkeit, wobei auf mögliche Unverträglichkeiten von Seiten des Magens und der Nieren geachtet werden muss. Treten Muskelveränderungen auf, äußern sie sich zumeist in Muskelschwäche und Abgeschlagenheit. Dabei können nicht selten auch Muskelstoffe (Kreatininkinase, Aldolase) im Blut erhöht nachgewiesen werden.

Antikörper

Der Nachweis bestimmter Autoantikörper, das sind gegen Strukturen des eigenen Körpers gerichtete Eiweiße, spielt für die Diagnostik der progressiven systemischen Sklerodermie eine wichtige Rolle. Häufig ist der Nachweis besonderer Antikörper der entscheidende diagnostische Hinweis. Es kann sogar die Konzentration der Antikörper im Blut durch eine so genannte Titration bestimmt werden. Dieser Antikörpertiter sagt jedoch nur wenig über die Aktivität der Erkrankung aus.

Zusammenfassung

Zusammenfassend spiegelt die voranstehende Auflistung nur mögliche Symptome wider, die selten alle auf einmal oder in vollständiger Ausprägung vorkommen. Immer wieder müssen Sie sich als Betroffene(r) vor Augen halten, dass Sie eine besondere, wahrscheinlich für Sie typische Form der Sklerodermie mit typischem Befallsmuster haben. Es ist empfehlenswert, zu Beginn der Erkrankung eine aufwendigere Untersuchung durchzuführen, um dieses charakteristische Befallsmuster verschiedener Organe richtig zu erkennen. Anhand dieser Grundbefunde lässt sich dann eine angemessene Therapie einleiten und eine sinnvolle Zusammenstellung von Kontrolluntersuchungen realisieren. Die progressive systemische Sklerodermie ist auch heute noch nicht endgültig heilbar. Doch stehen eine Reihe hochwirksamer Therapeutika zur Verfügung, die den Verlauf der Erkrankung sehr günstig beeinflussen.

Untersuchungen und Therapieeinleitung erfolgen zunächst im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes in einer Unihautklinik. Die weitere Behandlung kann dann in der Praxis in Zusammenarbeit mit der Klinik erfolgen.

Wir hoffen, einige Ihrer Fragen mit diesem Informationsblatt beantwortet zu haben und wünschen Ihnen alles Gute auf Ihrem Weg zur Genesung, Ihr Praxisteam.


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